Krähenflug, 2005, Computeranimation, XGA, 3:16 min, ohne Ton
Norbert Kraus nutzt seit den 90er Jahren die Verfahren der computergenerierten Animation.
Seine meist kurzen Videos führen uns artifizielle Bildwelten vor Augen,
die in einer reduzierten Bildsprache ihre digitale Herkunft und damit ihre Künstlichkeit offenbaren.
In Krähenflug sehen wir eine Schar der titelgebenden Vögel, die in unterschiedlichen Formationen das Bildfeld durchfliegen,
um sich schließlich auf vereinzelten Ästen niederzulassen.
Das minimalistische Setting verzichtet gänzlich auf die Ausgestaltung des Raumes, die Vögel bewegen sich vor einem leeren, weißen Hintergrund.
Lediglich die Äste – es könnten auch strichartig angedeutete Bäume sein – durchbrechen punktuell die Leere des Bildraums.
Gleichwohl reichen diese wenigen Hinweise, um unweigerlich einen Eindruck von Räumlichkeit zu erzeugen.
Das komplexe Zusammenspiel von Flügelschlag und Flugbahn wird im Krähenflug zur Grundlage einer figuralen Choreografie.
Norbert Kraus’ Videoarbeit wird damit auch zur künstlerischen Metapher unserer Weltsicht,
die zwangsläufig immer fragmentarisch bleiben muss.
Aus einer begrenzten Mengen von Informationen generieren wir auf Basis eigner Erfahrungen und innerer Projektionen ein holistisches Bild von der Welt,
das letztlich immer nur das jeweils unsere sein kann.
Reinhard Buskies 2024