Die hier versammelte Werkgruppe besteht aus Computeranimationen der letzten zwei Jahre. Es sind insgesamt acht Stücke mit
einer Länge von jeweils 19 Sekunden bis 8 Minuten. Die Animationen sind auf der DVD zu sehen, während hier im Beiheft
beispielhaft einzelne Standbilder und Bildfolgen gezeigt werden. Diese Edition trägt den Titel Echo . Die Arbeiten halten
sich in einem imaginären Abbildungsraum auf. Dieser ist eine maschinelle Projektion, untergründig von Gesetzen und Gleichungen
beherrscht. Dieses dreidimensionale, kartesische Gebiet ist von Natur aus konstruktiv künstlich. Die Perspektivbühne, die
Bewegungsillusion als Abfolge von Einzelbildern, Kamera- und Lichtregie sind eingegliedert in ein naturwissenschaftliches
Modell. Das Werkzeug der Computer-animation befindet sich in einem Prozess der fortwährenden Entwicklung, seine Mächtigkeit
markiert die Spitze einer Technologie. Die neue Abbildungsform stellt das Realitätsversprechen des Fotografischen in Bild und
Film neu dar und überwindet es durch eine umfassende und unbegrenzte Künstlichkeit. Das Arbeiten in diesem Bildraum bedeutet
einen Verlust von vertrauter Körperlichkeit, der Vorstellung von Dimensionen, dem Gespür und Geruch von Material. Dagegen
steht als Gewinn eine Verbindungsfähigkeit, eine Werkform als Potential. Letztere regt eine Suche an, sich anderen Künsten
anzugleichen und sie einzubeziehen wie Theater, Choreografie und Musik. In ihrer Endform steht die Möglichkeit der Aufführung,
die Animation und das Bild. Das neue Werkzeug erzeugt eine Unbeschwertheit. Ein offener, noch unbesetzter Raum verlangt eine
Übersetzerarbeit, eine Neubefüllung durch Übertragung von Themen der Kunst, ermöglicht durch die Distanz der Maschine. Diese
Bemächtigung betrifft alles, was ich durch eine umherschweifende und unberechenbare Wirkkraft als Inspiration vorfinde. Wie
sind nun diese Animationen zu verstehen? Es sind plastische Konstellationen, die einem Zeitpfeil unterworfen werden. Die
flüchtige Bewegtheit wird statuarisch, so wie das Statuarische flüchtig bewegt wird. Dabei findet die Kürze der Animation
ihren Kontrapunkt in der Ewigkeit. Die Anstrengung der künstlichen Bilderzeugung macht jedes einzelne Bild kostbar. Die
Figurinen, der Umraum, selbst die Zeit werden durch Konstruktion wie Rekonstruktion geschaffen. Die Dinge werden kristallin,
facettiert umschrieben. Indem ich sie animiere, erwachen sie zum Leben , erhalten ihre Anima und werden Teil einer
choreografischen Ordnung. Sie entspringen einem Nachahmungswunsch. Ihren Ausdruck erhalten sie durch das Wechselspiel einer
Natürlichkeit in Aussehen und Bewegung, von der sie sogleich wieder entbunden werden. Realitätsverweis und Abstraktion liegen
auf der gleichen Ebene und sind in einem fortdauernden Austausch. Dieser Prozeß als Aneignung verändert und transformiert. Es
entsteht eine eigene Anmut, eine Pracht und Erotik. Somit sind diese Animation zu lesen als eine Gedichtform mit der Abfolge
von Wahrnehmen Erinnern Vergessen Wiedersehen. In ihnen wird das Absterben überwunden wie fixiert. Es entstehen noch nie
vorher gesehene Ding- und Bewegungs-zustände, z.B. die schwere, organisch zuckende Mantelhaut, die gleichzeitig Körperhaut
ohne Körper ist - eine Ratte klettert auf einer schwankenden Hose als Ursuppe empor die Animationsbahnen zweier Tiere sind
ornamentale, geometrische Voluten, Ballette mit einem Schlussbild. In drei Arbeiten kommt Musik als Zeitordnungssystem hinzu.
Die Bewegung des Mundes im Gesang verknüpft Bild und Ton und erzeugt erst die plastische Körperbewegung. Der Sänger
verschmilzt mit der dargestellten Menschenfigur. Dann steht er langsam neben ihr, dieser Mehrfachperson aus Figurine, Roboter
und Ich-Selbst. Alle Arbeiten entstammen einer Resonanz, wenn innere und äußere Bilder zusammentreffen. Ein mysteriöses,
uferloses Feld erzeugt ein blitzartiges Anhalten, einen mimetischen Wunsch, ausgelöst durch einen Widerhall, einem Echo.
Norbert Kraus August 2009
A short introduction,
This group of works consists of computer animations created over the last two years. Altogether there
are 8 pieces ranging in length from 19 seconds to 8 minutes. The animations can be viewed on the DVD and here in this
booklet there are examples of stills and sequences of images. The title of the edition is Echo The works exist in an
imaginary space. This space is a computed projection, governed by laws and equations, which are hidden. By nature, this
three dimensional Cartesian space, is an artificial construction. The perspective stage, the illusion of movement created by
a succession of individual pictures, the camera work and lighting are integrated in a scientific model. Computer animation
as a tool is in a process of continual development and its powerfulness marks the cutting edge of a technology. The new form
of imagery deals with the idea of the photographic representation of reality in pictures and in film in a new way overcoming
the promise of being realistic by being comprehensively and unlimitedly artificial. Working in this image-environment means
a loss of familiar physicality - the notion of dimension, the sense of touch and the smell of material. On the other hand,
connectivity, with a potential for a new form of working is gained. The latter inspires a search to align with and relate to
other art forms like theatre, choreography and music. Ultimately, offering the possibility of performance, animation and a
picture. This new tool creates an unrestrained situation. An open empty space requires a transformation of art subjects and
content, made possible through the distance the machine allows. This kind of empowerment relates to everything I find in the
world, inspiring me in a vagabond and unpredictable way. How are these animations to be understood? They are
three-dimensional constellations subjugated to an arrow of time. The fleeting movements become statue-like, just as the
statuary itself is moved fleetingly. At the same time, the brevity of the animation has its counterpoint in eternity. The
effort involved in the artificial construction of the images makes every individual image precious. Constructing and
reconstructing create the figurines, the surroundings and even the time itself. The objects are broken down into faceted
surfaces - becoming crystalline. When they are animated, they burst into "life", are given an "anima" and become part of a
choreographic order. They originate from a wish to imitate. They get their expression through an interplay between a natural
appearance and movement, from which at the same moment they are released. Realism and abstraction are put on the same level
and are continually changing places. This process of taking possession changes and transforms, creating a grace, splendour
and erotic of it's own. In this way the animations can be read as a form of poetry, following the sequence - perceiving -
remembering - forgetting - meeting again. They don't die as such but their existence is limited by the nature of animation.
Objects and movements never seen before, appear, e.g. the heavy organic convulsive movements of a coat, that is like skin,
yet without a body - a rat climbs upwards on a swaying pair of trousers looking like a primeval soup - the movements of two
animals follow ornamental geometric volutes, ballets with an apotheosis. In three of the works, music is added as a way of
structuring the time. The movement of the singing mouth links image and sound and causes the initial body movement to happen
in 3-D. The singer merges with the human figure. Then slowly he is standing next to it, this multiple person made of
figurine, robot and myself. All the works come from a resonance arising when inner and outer images meet. A mysterious
boundless field causes a sudden stop, like lightning, a mimetic wish triggered by a reverberation - an echo.
Norbert Kraus August 2009
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