Was gezeigt wird, ist eine Katastrophe unter Masken, die von Anfang an dasteht, es gibt
kein Vorher und Nachher, man erfährt sie, wie man ein Relief kennenlernt, das man langsam
entlanggeht. (Egon Friedell)
Elegie bezeichnet eine klassische, literarische oder musikalische Form des Nachklangs einer Kata-strophe; das Verhalten zu
Unwideruflichkeit und Endlichkeit wird durch sie ästhetisch gefaßt. In diesen drei Arbeiten wird sie zur Bildform.
Karthago
- setzt eine Abfolge von Stimmungen ins Bild. Diese erhalten ihre Gestalt durch die Bildelemente des Umraums. Die Bewegungen
von Wasseroberfläche und Luft, die im Nebel, den Blättern und Ästen der Bäume und den Gewändern sichtbar werden, überlagern
sich der Komposition Schostakovitch´s und kündigen in einer Art stummen Vorwegnahme den Ablauf der musikalischen Motive an.
Die Figuren treten in kaum wahrnehmbaren Gesten auf und agieren gewissermaßen unter der Musik hinweg. Eigentliche Akteure
sind Uferlandschaft und Architektur. Diese treten in allmählicher Enthüllung aus einem Nebel hervor; der Farbwechsel des
Umraumes vom Blau zum Rot und schließlich zum Schwarz ändert die Wirkung von Kontur und Physiognomie der Architektur und
bereitet die Überleitung zu weiteren Stationen vor. Pfeiler, Treppen und Gebäudeöffnungen erzeugen einen stummen Rythmus -
gegenläufig zur fließenden Bewegung des Klangs; das Geschehen kontrastieren sie durch ihre völlige Ungerührtheit. Ihre
Erstarrung erzeugt die Wirkung des Fatalistischen. Der Blick des Betrachters wird in dieser Arbeit von einer Station zu
nächsten geschoben. In Zefiro torna
dagegen erhält er die Beweglichkeit und Allgegenwart eines Vogelblicks. In
einem Kontinuum folgt er einem Centaurenpaar in wechselnden Abständen und
Perspektiven in eine Landschaft hinein. Das Echo der Melodie - gedacht als
Widerhall der Landschaft - ist in den einander spiegelnden Gesten der beiden
Centauren angelegt. Hügel und Höhlen erscheinen als tönendes Organ. Aufhellung
und Abdunkelung und die Umkehr der Färbungen von Landschaft, Sonne und Himmel
zeigen sich parallel zu den Stimmungswechseln der Figuren. Das Licht der Sonne
pulsiert -
Luci d`or
- Farbinseln entstehen und lösen sich auf, der Untergrund der Landschaft
fließt, die Stämme der Bäume sind strömende Säulen. Die erwartete,
naturalistische Wirkung wird durch eine poetische ersetzt. Lamento della ninfa
- ein Chor aus drei Masken wird vor einem raumlosen Schwarz ins Bild gerückt,
das sich allmählich aufhellt. Er kommentiert die Klage einer Nymphe über die
Zurückweisung durch ihren Geliebten. In ihrem Auftritt sind Gesang und
Körpergeste vollständig synchronisiert. Die Choreographie organisiert das
Geschehen in einem umfassenden Sinne; alle Bewegungen - die wechselnd nach
außen und innen gerichteten Gesten der Nymphe, der Ausdruck ihres Gesichtes,
die Mimik der Masken - sind Bestandteil des inszenatorischen Plans. Das
Polyedernetz, das die Gestalt der Nymphe formt, dehnt und zieht sich - es
atmet; es läßt die Mühe der Belebung erkennbar werden, von der Phidias geträumt
haben mag. Die materielle Weichheit von Haut erhält durch ihre klare
Facettierung eine überraschend realistische Wirkung - die Binnenbewegung der
Körperoberfläche tritt deutlich hervor. Die Abstraktion wird zum Mittel des
Realismus.
Die Computeranimation stellt ein universelles Instrument zur
Verfügung, welches die Vielzahl der Gestaltungsmittel und -aufgaben klassischer
Großformen wie Theater, Oper und Film simuliert; diese werden auf derselben
Abstraktionsebene - einem vereinheitlichenden Bedienungskalkül - organisiert.
Die Musik und Text fungieren in unterschiedlichen Wechselbeziehungen zu
Bildformen und Farbdramaturgie - als Vorlage, Taktgeber und Synchronisierer.
Farbe, Elemente des Bühnenraumes, der Landschaft und schließlich auch die
Figuren selbst können in dieser künstlichen Welt zu Akteuren der Szenerie
werden. Auch der betrachtende Blick wandert, er ist reicher als derjenige der
Kamera, der fokussiert, lenkt und abblendet - Entdeckung statt Schnitt.
Erreicht wird der Eindruck einer Vollständigkeit und Abgeschlossenheit, welche
die Einwirkung des Künstlers aufzuheben scheint - die Artefakte verlebendigen
sich. Der Künstler hat sein Kunstwerk verlassen.
Karl B. Buchholz